New Work – Die Arbeitswelt im Umbruch

New Work als Antwort auf neue Herausforderungen

Es gibt so viele neue Entwicklungentrends in der Arbeitswelt, dass es lohnt, einen vollständigen Überblick über sie und speziell das Thema New Work (Zukunft der Arbeit, Arbeiten 4.0) zu geben. Neben dem Hinweis auf Guido Bosbachs Blogparade zum Thema New Work werde ich die wichtigsten Entwicklungstrends kurz anreißen: Enterprise 2.0, Management 3.0, Industrie 4.0, Arbeiten 4.0 bzw. New Work:

  • Enterprise 2.0
    Hier geht es um Social Software, also um Software, die der menschlichen Kommunikation, der Zusammenarbeit und dem Wissensmanagement in Unternehmen dient, z. B. Social Media, Blogs, Wikis usw. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch der von IBM missverständlich entwendete Begriff Social Business verwendet.
  • Management 3.0
    Hier geht es um agiles Management und Führung (Leadership) ausgerichtet an den neuen Herausforderungen: umfassender Wertewandel in sehr dynamischen Märkten mit hohen Innovationszyklen und hoher Komplexität. Es geht um die Frage, wie in einem solchen Umfeld Mitarbeiter selbstverantwortlich, kreativ und motiviert innovieren können, um das Unternehmen nach vorne zu bringen und so Kundenwünsche zu erfüllen.
  • Industrie 4.0
    Hier geht es um Automation und Vernetzung von Maschinen und Produktionsprozessen, die auf individuelle Kundenwünsche eingeht in Verbindung mit hohen Produktionsmengen bei hoher Flexibilisierung (Losgröße 1). In diesem Zusammenhang wird gelegentlich das Internet der Dinge genannt.
  • Arbeiten 4.0 oder New Work
    Mit dem Thema New Work sind für mich Arbeitsweisen gemeint, die sich aus den vielen neuen Trends ergeben. New Work ist eine Form des freien, gleichberechtigten Zusammenarbeitens in Teams, die von Verantwortungsbewusstsein, Selbständigkeit, Engagement und Methodenkenntnis geprägt ist und mit flachen Hierarchien auskommt. Benötigte Strukturen, Regeln und Prozesse werden zielorientiert erarbeitet und situativ angepasst. New Work ist eine Einstellung. Gute Ergebnisse sollten mit Teilhabe belohnt werden. Nicht nur der Mensch steht im Mittelpunkt (seine Motivation, Bedürfnisse, Lernen und Potenzialentwicklung), sondern auch die Beziehungsarbeit zwischen den Menschen. Im letzten Punkt stimme ich mit Stephan Stockhausen überein, der ebenfalls über Guido Bosbachs Blogparade zum Thema New Work publiziert hat.

Nicht nur der Mensch ist im Mittelpunkt. Auch die Beziehungsarbeit zwischen Menschen.

 

Den Ursprung hat New Work in den Arbeiten von Frithjof Bergmann. Zentrale Werte der Neuen Arbeit sind Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft. Ihm geht es darum, dass Menschen für sich herausfinden, welche Arbeiten ihnen wirklich wichtig sind, und dass sie die Freiheit haben, diesen Arbeiten kreativ nachgehen zu können und sich persönlich zu entfalten.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen waren eingeschränkte Wahlmöglichkeiten zwischen schlechten Alternativen der Lohnarbeit, die keine echte Wahlfreiheit ließen und die drohende Verringerung der Erwerbsarbeit durch immer stärkere Automation. Dieses Thema ist aktuell!

 

Automation ist nicht der einzige Impuls für New Work

Enterprise 2.0 und Industrie 4.0 (noch schwach ausgeprägt) mögen durchaus Einfluss darauf haben wie Führung (Management 3.0) und Zusammenarbeit (New Work) zukünftig gestaltet werden können/sollten, doch sie sind für mich zzt. nicht die ausschlaggebenden Faktoren dafür, dass New Work thematisiert bzw. gefordert wird. Andere Gründe sind:

  • Interessenten und Kunden sind sind heute durch das Internet sehr gut informiert und lassen sich ein X nicht mehr als U verkaufen. Das erfordert eine angepasste Haltung und Kommunikation.
  • Mitarbeiter sind durchschnittlich besser ausgebildet als die Elterngeneration, so dass z.B. viel stärker ausgeprägtes Management- und Methodenwissen zur Verfügung steht. Dieses Wissen sucht Gelegenheiten zur Umsetzung.
  • Kaiserzeitlich geprägte Befehl-Gehorsam-Beziehungen sterben zwar aus und werden durch ein liberaleres und demokratischeres Miteinander zunehmend ersetzt, doch gleichzeitig sorgen harter Wettbewerbsdruck in Unternehmen und die Zunahme wirtschaftlicher Unsicherheit zu einem durchrationalisierten Miteinander in Unternehmen, so dass Arbeitskultur und Bedürfnisse von Mitarbeitern und Teams leiden.
  • Althergebrachte Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen werden nicht mehr benötigt. Wissensaustausch geschieht heute über Hierarchieebenen hinweg viel stärker als früher. Neue, digitale  Kommunikationswerkzeuge und agilere Entscheidungsmechanismen machen einige Hierarchiestufen überflüssig.
  • Heute bilden sich Netzwerke, die ein Miteinander auf Augenhöhe möglich machen unabhängig von Status und Herkunft.
  • Junge Familien organisieren Ihr Leben in Bezug auf Arbeit und Kindererziehung gleichberechtigter als noch vor Jahrzehnten und suchen Flexibilisierungsmöglichkeiten. Bisherige Geschlechterrollen werden in Frage gestellt.
  • Und schließlich einer der wichtigsten Gründe: Die Anforderungen des Marktes nach höherer Effizienz, schnellerer und individuellerer Lieferung von Produkten und Leistungen im Vergleich zum Wettbewerb.

New Work - Arbeiten 4.0 - SL Beziehungsarbeit

 

Es ist viel in Bewegung. Das verlangt nach Reaktion.

Es ist so viel in Bewegung, dass in einigen Unternehmen der Handlungsdruck steigt, Zusammenarbeit neu zu gestalten. Gute Mitarbeiter, insbesondere im mittleren Management mit dem Anspruch, Teams gut anzuleiten und zu Höchstleistungen zu bringen, sind knapp. Diese Mitarbeiter haben häufig den Anspruch, von ihren Chefs entsprechend unterstützt zu werden. Entweder sie erhalten diese Unterstützung in Form von Gestaltungsfreiraum oder sie verlassen u.U. Unternehmen. Es braucht also eine Reaktion.

Mag sein, dass in der Belegschaft Unruhe aufkommt, wenn gesellschaftlicher Wandel nicht irgendwann auch im Unternehmen Einzug hält. Das allein wäre schon ein Grund für eine Reaktion. Doch spätestens wenn der Wettbewerb dauerhaft erfolgreicher Kunden anzieht und hält, sollte die Geschäftsleitung reagieren.

Unternehmen, die Kerninhalte von New Work umsetzen, sind erfolgreicher

weil sie über motiviertere und leistungsstärkere Mitarbeiter verfügen. Diese Unternehmen sind innovativer und vor allem eins: krisenrobuster, weil mit New Work Anpassungen an neue Umstände leichter und schneller gelingen. Methodenwissen und Sozialkompetenzen sind tiefer verankert und in der Umsetzung eingeübt.

 

New Work von oben & von unten

Meiner Meinung nach sind 2 Bewegungsrichtungen zu beobachten:

  • New Work von oben
    Gut ausgebildete junge Geschäftsführer/innen (z.B. mit Universitätsausbildung und Konzernerfahrung) neigen m. E. dazu, die von ihnen verantworteten Unternehmen(-sbereiche) im Sinne von New Work zu modernisieren und die Organisation anzupassen. Genauso junge Inhaber/innen im Rahmen von Unternehmensnachfolgen und junge Gründer/innen, wenn Sie sich von nicht mehr zeitgemäßen Führungserfahrungen und Denkmustern (Sozialisierungen) haben befreien können. Daneben existiert selbstverständlich die Einführung von New Work durch bestehende Geschäftsleitungen. Aber selbst unter günstigen Bedingungen gibt es Hindernisse z.B. durch zurückgezogene Inhaber oder Investoren.
  • New Work von unten
    Neue gesellschaftliche Entwicklungen oder Produkte (z.B. digitale Medien) werden von Meinungsführern und early adopters (Erstanwendern) aufgegriffen und in die Wohnzimmer, Kinderzimmer, den öffentlichen Raum und in Diskussionen hineingetragen. Der Wandel verfestigt sich in den Köpfen der Menschen einer Gesellschaft. Der Wunsch nach Veränderung wird stärker und schließlich auch in Unternehmen spürbar. Ich behaupte, dass dieses Phänomen sich über alle Hierarchieebenen erstreckt, doch oftmals das Wissen fehlt, wie der gewünschte Wandel offen anzusprechen, kontrolliert anzustoßen und umzusetzen ist. Geschäftsleitungen können die Impulse zielorientiert aufgreifen – müssen oder wollen es aber nicht. Ob Mitarbeiter den Übergang von der gewohnten Digitalisierung und Demokratisierung auf der Couch zu Ansätzen von New Work im Unternehmen klaglos mitgehen bleibt auch fraglich. Denn immerhin haben wir auch viele Mitarbeiter, die eigenverantwortliches Arbeiten nicht gewohnt sind, weil sie für unverzichtbare Routinen eingesetzt werden müssen und einem Umbau der Arbeitskultur gegenüber skeptisch sind.

Es braucht in jedem Fall mindestens die 100-prozentige Unterstützung aus dem Top-Management und geeignete Marktbedingungen, um Wandel im Sinne von New Work anzustoßen.

 

Arbeitskulturen und Werte in Unternehmen

Wünschenswert wäre eine Diskussion über New Work z.B. mit Experten für Unternehmenskulturen und -werte, die meines Erachtens sowohl über wissenschaftlich abgesicherte als auch praxiserprobte Analyseinstrumente verfügen, um Wandel in Richtung New Work anzustoßen und kontrolliert zu begleiten.

Doch es gibt Hindernisse: Denn z.B. nach dem Modell 9 Levels (basierend auf den Forschungsergebnissen von Clare W. Graves)  kann man Wandel nicht beliebig herbeiführen, sondern durchläuft mit einer Organisation verschiedene Entwicklungsstufen, die aufeinander aufbauen. Keine Entwicklungsstufe kann übersprungen werden. Unternehmen und ihre Mitarbeiter erarbeiten sich nach und nach die notwendige Reife, um neue Werte und damit entsprechende Arbeitsweisen (z.B. New Work) überhaupt erfolgreich verankern zu können. Zudem kommt es darauf an, dass das angepasste Wertesystem nicht im Widerspruch steht zu den Herausforderungen des jeweiligen Marktes, in dem ein Unternehmen agiert.

Ein Beispiel aus dem Buch „9 Levels of Value Systems“ von Rainer Krumm:

  • Der (4.) blaue Level verfügt über folgende kennzeichnende Werte: Pflicht, Disziplin, Zuverlässigkeit, Qualität, Recht & Gesetz, Schuld & Unschuld, Stabilität, Ordnung, Einhalten von Regeln, Wahrheit, Klarheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Kontrolle, Rang & Status, Titel, Einhaltung von Hierarchien, Loyalität, Geduld.
  • Der (5.) orange Level verfügt über folgende kennzeichnende Werte: Herausforderung, Verantwortung, Selbständigkeit, Zielorientierung, Produktivität, Prozessorientierung, Gewinnorientierung, Ergebnisorientierung, Konzentration, Leistung, persönlicher Erfolg & Gesamterfolg, Prestige, Status & Statussymbole, Akzeptanz, Karriereorientierung, unternehmerisches Denken, Wettbewerb, Innovation, Wertschöpfung, monetäres & wirtschaftliches Wachstum, Wohlstand.
  • Der (6.) grüne Level verfügt über folgende kennzeichnende Werte: Kooperation, echte Weltoffenheit, Toleranz, Wertschätzung, Dialog, Empathie, Fairness, Konsens, Harmonie, Verantwortung für den anderen, Integration von Menschen, Partizipation, Gleichwertigkeit, Menschenrechte, Gemeinsamkeit & Gemeinschaft, langfristige Erfolgssicherung, Anpassung, persönliches & menschliches Wachstum.

Vergleiche ich diese 3 Level miteinander, ist der blaue Level eher ein Wertesystem von Menschen eines hierarchischen Unternehmens, der orange Level eher ein Wertesystem von Menschen eines ziel- und leistungsorientierten Unternehmens mit sehr engagierten Mitarbeitern, während der grüne Level eher für ein Wertesystem von Menschen steht, die den Erfolg eher als Ergebnis der richtigen Team-Konfiguration sehen.

 

Fragen, die sich mir aufdrängen

  • Welche Rolle kann New Work spielen, wenn gleichzeitig festzustellen ist, dass New Work nach dem Model 9-Levels nicht überall erfolgreich eingeführt werden kann, weil weder Unternehmenswerte, noch das Unternehmensumfeld (z.B. der Markt) das hergeben? Sollte man sich dann von diesem Ehrgeiz frei machen?
  • Oder sind die ersten 4 Level des Modells (die ersten drei hier nicht genannt) in der Wirklichkeit nicht mehr relevant, so dass einer Einführung von New Work nichts im Wege steht, außer dem guten Willen? Ist der gesellschaftliche Wandel also bereits so stark fortgeschritten und die Gesellschaft so reif, dass jedes Unternehmen in welchem Markt auch immer New Work praktizieren könnte, wenn es nur wollte?
  • Was könnten Ansätze sein, um sich New Work anzunähern, auch wenn die Rahmenbedingungen in einem Unternehmen noch nicht optimal sind?

 

Hindernisse auf dem Weg zu New Work

In vielen mittelständischen Unternehmen, stelle ich immer wieder fest, wie (nachvollziehbar) schwierig es ist, den Kopf aus dem Tagesgeschäft zu heben und nicht nur zu überlegen, was als nächstes getan werden muss, sondern auch wie man den Weg zum Ziel für alle gedeihlich gestalten könnte. Das ist aus folgenden Gründen tatsächlich schwierig:

  • Häufig fehlt schlicht die Zeit für solche Überlegungen, weil in vielen Unternehmen genau ein Auftrag zu viel angenommen wird oder weil die vielen technischen Umbrüche gestaltet werden müssen: Warenwirtschaftssysteme (ERP), Kundenbeziehungsmanagement (CRM), Industrie 4.0 (Automation), Enterprise 2.0 (Wissensmanagement und Kommunikation), usw.
  • Dadurch fehlt die Übung bzw. das Können, wie man mit verfügbarer Zeit Arbeitskultur gestalten könnte. Kompetenzen werden nicht in ausreichendem Maße aufgebaut: Weder das dazu notwendige Methodenwissen, noch Umsetzungswissen und Sozialkompetenzen.
  • Ressourcen: Sollten durch die Auftragslage Ressourcen zur Verfügung stehen, dann nicht an der richtigen Stelle. So ist in der Belegschaft so gut wie niemand vorgesehen, der diese Kompetenzen und deren wirtschaftlichen Nutzen kennt und die Arbeitsprinzipien von New Work fördern könnte.
  • Schließlich fehlt die Erlaubnis, sich mit Dingen zu beschäftigen, für die nicht ausreichend Kompetenz vorhanden ist.

 

Das könnten Lösungsansätze sein

Fangen Sie heute an, kleine erste Schritte zu gehen, solange Sie keine Krise dazu zwingt, in der die Zeit für einen kulturellen Wandel fehlt:

  • Persönliches und privates Engagement und Interesse von Mitarbeitern aller Hierarchieebenen (auch Chefs) erarbeiten sich die Methodiken in ihrer arbeitsfreien Zeit, weil sie Lust dazu haben, etwas neues kennenzulernen und zu beherrschen.
  • Es könnte hierfür eine unternehmensinterne Bibliothek aufgebaut werden, die die Wissensvermittlung (Methoden und Sozialkompetenzen) fördert. Entsprechende Weiterbildungen könnten vom Unternehmen teilweise/ganz unterstützt werden – finanziell und/oder zeitlich.
  • Legen Sie Wert auf Wirksame Beziehungsarbeit, die zwischen Unternehmensangehörigen positive Energie spendet. Anregungen hierzu erhalten Sie über diesen Blog oder im persönlichen Gespräch mit mir.
  • Es wird Zeit eingeräumt, mit dem neuen Wissen z.B. eine Problemlösung zu gestalten. Es braucht Zeit und Raum zum Experimentieren. Sollte das Experiment nicht optimal laufen, bitte dranbleiben und überlegen, was zu verbessern ist, anstatt gleich wieder aufzugeben.
  • Es braucht von allen Mut, Neues auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen. Fördern Sie Mut! Mitarbeiter sollten etwas ausprobieren und erst danach um Erlaubnis bitten. Ist das Ergebnis gut, wird sich die Frage um Erlaubnis von selbst erledigen.
  • Und haben Sie das Vertrauen in Ihre Mitarbeiter in deren gute Absichten.
  • Es wird ein kalkulatorischer Lohn eingeplant für einen internen oder externen Coach/Moderator, um über diesen Weg ein Budget aufzubauen und langfristig Personal- und Organisationsentwicklung (Gestaltung von Wandel) im Unternehmen aufwandsseitig zu verankern und dauerhaft zu ermöglichen.
  • Beziehen Sie die Expertise eines Moderators/Coaches in die Strategiebesprechungen Ihres Unternehmens ein. Vielleicht sieht er Lösungen für die Unternehmensentwicklung, die sich aus Produkt-, Marketing- und Vertriebssicht gar nicht ergeben.

 

Haben Sie Fragen, Anmerkungen, Erfahrungswerte oder Kritik zum Thema? Ich würde mich freuen, könnten Sie uns daran Teil haben lassen. Schreiben Sie einen Kommentar.

 

Sven Löbel
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