Stakeholder-Management rettet Projekte!
Wirksame Beziehungsarbeit mit Stakeholder-Management
Kennen Sie das? – Eines Ihrer Projekte ist bereits gescheitert oder droht zu scheitern? Machen Sie sich die Mühe herauszufinden warum!
Im Rückblick auf meine Projekterfahrung und aus vielen Gesprächen mit erfahrenen Projektleitern hat sich herauskristallisiert, dass Projekte nicht so häufig aus technischen Gründen scheitern, wie z.B. durch
- mangelhafte Planungsinstrumente
- mangelhafte Kommunikationsmittel
- unzureichende Arbeitsmittel, Test- und Laborausstattung
- ungenügende Prozessbeschreibungen
- usw.
Vielmehr sind „weiche Faktoren“ wie z.B. Kommunikation entscheidend für den Projekterfolg und vor allem die situativ richtige Einbindung aller relevanten Interessengruppen (Stakeholder = SH) durch Stakeholder-Management.
Wer meinen Blog verfolgt, weiß bereits, dass im Rahmen wirksamer Beziehungsarbeit für Unternehmen der Baustein 4 notwendig ist: Die Verknüpfung von Methoden & Arbeitswerkzeuge mit Sozialkompetenzen. In diesem Artikel widme ich mich zunächst den Werkzeugen. In einem weiteren Artikel werde ich auf Gesprächsführung und Kommunikation als Teil der Sozialkompetenzen eingehen.
Warum Stakeholder-Management?
Das Stakeholder-Management bzw. das Management von Interessengruppen sorgt dafür, dass
- beeinflussende
- beteiligte
- vom Projektergebnis betroffene
Personen, Personengruppen, Organisationen mit ihren jeweiligen Interessen, Erwartungen, Bedürfnissen und Anforderungen berücksichtigt werden. Ziel ist es, dass sie optimal zum Projekterfolg beitragen können oder zumindest dem Projekterfolg nicht entgegenstehen. Dazu gilt es laut PMBOK-Guide (Projekt-Management-Bibel des Project Management-Institutes PMI), folgende Prozesse zu durchlaufen:
- Stakeholder und deren Interessen, Anforderungen und Erwartungen identifizieren
- Stakeholder-Management planen I: Projektanforderungen analysieren
- Stakeholder-Management planen II: Stakeholder angemessen einbinden
- Management des Engagements der SH durch die solide Gestaltung von Projektarbeit und Kommunikation, um deren Anforderungen zu erfüllen
- Steuerung des Engagements durch die situative Anpassung der SH-Einbindung und Überwachung der Beziehungen zu SH und der SH untereinander.
Stakeholder-Analyse und Stakeholder-Management sind professionell strukturierte und bewährte Vorgehensweisen und leisten einen wertvollen Beitrag zur wirksamen Beziehungsarbeit
1. Stakeholder identifizieren
In unserem Training könnte die Aufforderung, Stakeholder zu identifizieren, ungefähr so aussehen:
Aufgabe:
Erstellen Sie als Ausgangspunkt des Stakeholder-Managements ein Projektmolekül (Mindmap). In diesem Beispiel lautet das Projekt „Einführung Mitarbeiterjahresdialog“.
Vorgehen:
- Projektname in die Mitte
- mit Brainwriting mittels Haftzetteln Stakeholder ermitteln
- Stakeholder um den Projektnamen herum je nach Distanz anordnen
- Mit Smileys die Haltung zum Projekt andeuten
- Mit der Dicke der Verbindungslinien die Stärke des Einflusses von SH repräsentieren
- Beziehungen mit Herzen und Blitzen charakterisieren
Es könnte folgendes dabei das herauskommen, was ich bereits zum Thema „Empathie“ veröffentlicht habe:
Obacht: Dieses Dokument beinhaltet viele pikante Details und ist daher als ein vertrauliches Dokument einzustufen und vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
2. Projektanforderungen analysieren
Nachdem nun eine erste Einschätzung stattgefunden hat, sollten als weitere Grundlage für das Stakeholder-Management unbedingt persönliche Gespräche folgen, um Einschätzungen zu validieren, zu korrigieren und zu ergänzen. Wie bereits erwähnt ist die Gesprächsführung Thema eines anderen Artikels. Was sollte bzw. kann abgefragt bzw. diskret ermittelt werden?
- alle relevanten Kontaktdaten
- tatsächliche Interessen
- offene Anforderungen und Ziele
- verdeckte Erwartungen und Motivation
- lang- und kurzfristige Bedenken, Nöte, Sorgen, Ängste
- Informationsbedürfnisse
- Größe der Interessengruppe in Anzahl der Personen
- Einschätzung der Machtbefugnis von 1 (schwach) bis 5 (stark)
- Abschätzung des Grades der Betroffenheit von 1 bis 5
- Einschätzung der Haltung zum Projekt bzw. des Konfliktpotenzials von -3 (negative Haltung mit hohem Konfliktpotenzial) bis +3 (positive Haltung mit geringem Konfliktpotenzial)
- vorläufige Klassifizierung des SHs
Die Ergebnisse dieser Befragung werden tabellarisch festgehalten. Eine entsprechende Vorlage lässt sich im Service-Bereich herunterladen. Die vorläufige Klassifizierung ergibt sich aus den Kriterien Haltung/Konfliktpotenzial und dem geplanten Einfluss, den ein Stakeholder über Kommunikation oder Einbindung haben wird:
- neutraler Mitläufer
- Unterstützer oder Skeptiker
- Promoter/Vorreiter oder Nörgler/Bremser
- Champions/Visionäre oder Störer/Blockierer
Ziel des Stakeholder-Managements ist es u.a., möglichst viele Unterstützer, Promoter und Champions zu gewinnen, um den Projekterfolg zu vergrößern.
Win-Win-Lösungen und -Strategien ermitteln
Stakeholder lassen sich selbstverständlich nach den gesammelten Interessen, Erwartungen und Anforderungen gruppieren. So erhält man einen guten Gesamtüberblick auf gemeinsame und unterschiedliche Bedürfnisse. Über diesen Weg lässt sich ermitteln, wo sich u.U. Win-Win-Situationen herstellen oder aushandeln lassen. Der Weg dorthin muss selbstverständlich ausgearbeitet werden und ist Teil der Projektplanung. Dazu bedarf es einerseits in ausbalanciertem Maße Rücksicht und Mut und andererseits Zeit und Kreativität, weil es ansonsten doch zu Win-Lose-Ergebnissen kommt. Alle Verhandler werden voll gefordert sein, an die Grenzen Ihres Könnens zu gehen.
Gibt es Stakeholder, die Sie vernachlässigen dürfen?
Nach der Klassifizierung kann eine Einstufung erfolgen, welche SH welche Priorität genießen sollten. Dazu wird das Salience-Modell herangezogen, das hilft zu beurteilen, welche SH besonders herausragen oder hervorspringen (salience = [eng.] das Hervorspringen):
Folgt man diesem Modell, so gibt es Stakeholder, die weder im gelben, grünen, noch im blauen Bereich einzuordnen sind. Sie fühlen sich betroffen, sind es aber u.U. gar nicht. Diese nicht einzubinden verlangt einen gewissen Mut, insbesondere wenn man es allen recht machen will. Ansonsten ist es empfehlenswert sich allen Stakeholdern anzunehmen — natürlich mit unterschiedlicher Intensität.
Was fängt man nun mit all diesen Informationen an? Wozu all diese Mühe?
Beginnen Sie, Stakeholder so einzubinden, dass es den Projekterfolg günstig beeinflusst. Es lohnt sich.
3. Stakeholder angemessen einbinden
Der PMBOK-Guide schlägt vor, eine Matrix zu bilden aus den zwei Dimensionen „Machtbefugnis“ und „Interesse“. Allerdings halte ich das nicht für sehr pragmatisch, denn es stellt sich die Frage, ob das Interesse auch berechtigt ist, wenn es gleichzeitig keine Betroffenheit des Stakeholders gibt. Folglich ziehe ich hier die Beurteilungskriterien „Machtbefugnis“ und „Grad der Betroffenheit“ für die Matrix heran.
Diese Matrix gibt zwar schon erste Hinweise, in welche Richtung die Einbindung erfolgen kann, doch die empfohlenen Strategien sind noch immer recht pauschal.
Betroffenheit und Einfluss
- Geringe Betroffenheit + niedriger Einfluss
Dies sind die vorerst unkompliziertesten Fälle. Es sind zunächst keine Maßnahmen nötig, es findet nur eine Beobachtung statt. Hier sind möglicherweise Stakeholder dabei, die auch zu jedem Thema eine Meinung haben und mitreden möchten, aber aufgrund ihrer Position gerne freundlich außen vor gehalten werden können (ohne sie dabei vor den Kopf zu stoßen!). Strategie: überwachen mit geringem Aufwand (links unten) - Geringe Betroffenheit + großer Einfluss
Diese Stakeholder sind meist einfach zufrieden zu stellen, wenn sie regelmäßig informiert werden und können auch oft als Unterstützer des Projekts gewonnen werden. Allerdings ist es auch wichtig, mit diesen in ständigem Kontakt zu bleiben, da sie gerne auch von Betroffenen mit geringer Macht als Machtpromotoren gesucht werden und damit das
Projekt zum Kippen bringen könnten. Strategie: SH zufrieden stellen, Bedürfnisse stillen (rechts unten) - Hohe Betroffenheit + niedriger Einfluss
Bei diesen Stakeholdern zahlt sich meist eine proaktive Kommunikationsstrategie aus, in dem sie im Sinne des Change Managements frühzeitig über anstehende Veränderungen
und die Auswirkungen informiert werden. Viel unnötiger Widerstand wird selbst bei nicht stark negativ eingestellten Personen erst durch eine mangelhafte Kommunikationspolitik wie ignorieren, späte oder halbwahre Information liefern, erzeugt. Strategie: informiert halten und Beachtung schenken (links loben) - Hohe Betroffenheit + großer Einfluss
Das sind die kritischen Fälle. Diese Stakeholder brauchen besondere Aufmerksamkeit. Sie
müssen entweder von Beginn an stark eingebunden werden, z.B. durch die Übernahme von wirklicher Verantwortung mit allen Konsequenzen, so dass wirklich eine ernsthafte Lösungsbereitschaft entsteht. Oder der evtl. negativ machtvolle Einfluss dieser Stakeholder ist gezielt und wirksam einzudämmen. In jedem Fall sind ihre Ziele sorgfältig zu analysieren und entsprechende Maßnahmen abzuleiten und regelmäßig zu überprüfen. Strategie: Schlüsselakteure aktiv und engmaschig managen (rechts oben)
Einbindungsstrategien
Folgende Einbindungsstrategien sind detaillierter und praxisnäher:
Aus diesen Einbindungsstrategien ergeben sich Vereinbarungen mit Stakeholdern, wie Kommunikation konkret gestaltet werden soll. Empfehlenswert ist eine Liste der auszutauschenden Dokumente und der Besprechungen aufzustellen, aus denen klar Sinn und Zweck der Regelungen hervorgehen.
4. Gespräche mit Stakeholdern führen
In einer gelungenen Gesprächsführung liegt dann natürlich die Hauptarbeit. Weiterführende Artikel dazu finden Sie unter den Titeln Stakeholder-Dialog und Effektive Beziehungsgestaltung.
5. Management des Stakeholder-Engagements
Das Stakeholder-Management soll für ein hohes Engagement der SH sorgen. SH sollen sich aktiv einbringen und zum Gelingen beitragen. Für die tatsächliche Wirkung ist folgender Mix entscheidend
- bestehende formelle Machtbefugnis,
- grundsätzliche Einflussnahme mittels Informationen (Politik und Meinungsmache über informelle Netzwerke),
- bestehende Regelmacht (die Macht, verbindliche Regeln zu erlassen),
- bestehende oder erst im Projekt verliehene Entscheidungsmacht,
- Einfluss in operativen Entscheidungssituationen des Projekts
- Reichweite gemessen durch die Anzahl beeinflusster oder durch Entscheidungen betroffener Personen
6. Wirkung der Stakeholder beeinflussen
Durch regelmäßige Beobachtungen, Einzelgespräche, Sitzungen und Messungen kann während der Projektdurchführung die Wirkung der SH fortlaufend ermittelt und beurteilt werden, insbesondere durch
- Qualitätsaudits, Prozess-Analysen
- Inspektionen, Stichproben, Varianzanalysen
- Statusberichte, Problem- und Änderungsprotokolle
- Akzeptanz von Liefergegenständen und Projektergebnissen
- Team-Rückblicke, Beurteilung der Teamleistung
- Gesprächsprotokolle
- Lösung von Konflikten
- Befragung über die Zufriedenheit von SH
Ziel ist es herauszufinden, ob die Wirkung aktiv beteiligter Stakeholder für das Projekt günstig ist oder eben nicht, z.B. durch unkonstruktive Bedenkenträgerei, Störungen, Desinformation bis hin zur Blockadehaltung. Die folgende Matrix aus dem PMBOK-Guide schlägt über die Kriterien Macht und Einfluss (aktive Beteiligung) geeignete Strategien zur Steuerung von SH vor, wobei m.E. die Wirkung (positiv oder negativ) der SH Berücksichtigung finden sollte. Für das hier gezeigte Beispiel sieht die Matrix folglich so aus:
Der Zweck dieser Matrix liegt in der Ermittlung von Handlungsempfehlungen für den SH-Manager:
- Links unten
Negativen Einfluss eindämmen und/oder Haltung und Wirkung im Projekt zum positiven Wandeln. Hier allerdings mit geringerem Aufwand, da der Einfluss nicht stark ist. - Rechts unten
Negativen Einfluss wirksam eindämmen und/oder Haltung und Wirkung im Projekt zum positiven Wandeln. Allerdings mit größerem Aufwand, weil der Einfluss des SH groß ist. - Links oben
Positiven Einfluss sichern und gegebenenfalls vergrößern. - Rechts oben
Positiven Einfluss sichern und SH als Meinungsführer bzw. Entscheider etablieren.
Was sollte man umsetzen? Was sollte man weglassen?
Wer die Qualität der Projektdurchführung verbessern will und die Wahrscheinlichkeit eines Projekterfolges steigern möchte, der kommt um ein solides Stakeholder-Management nicht herum. Doch es stellt sich die Frage, wie viel Aufwand dafür nötig ist. Einfache Regel:
Alle Projekte benötigen Stakeholder-Management!
Daher mein Rat: Probieren Sie die oben dargestellten Schritte aus und finden Sie heraus, was sich für Sie persönlich bewährt und was vom Aufwand her lohnt. Nutzen Sie nur die Schritte, die Sie effektiv weiterbringen und lassen Sie anderes zunächst weg.
Ein weiterer Tipp besteht darin, sich des Themas mit einigen wenigen Schritten anzunehmen, also einfach anzufangen und erst nach und nach weitere Schritte hinzuzunehmen und Ihr Praxiswissen auszubauen.
Doch Vorsicht: Bedenken Sie, dass Sie mit dem Einsatz dieser Werkzeuge keine Garantie dafür haben, dass Ihr Stakeholder-Management zum Erfolg wird. Diese Instrumente unterstützen den zielorientierten Dialog mit SH lediglich. Die wahre Qualität des Stakeholder-Managements hat andere Quellen:
- Aktive Hinwendung und echtes Interesse:
Das bedeutet mit dem Herzen dabei zu sein, ansonsten wird Ihr Vorhaben schnell als Farce entlarvt. - Aktives Zuhören und Empathie
Das Herauskristallisieren aller Erwartungen und deren Umwandlung in relevante Anforderungen an das Projekt stellt die Hauptaufgabe dar. Sehr oft gilt es, zwischen den Zeilen zu lesen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und Empathie aufzubauen. Die hier präsentierten Wertzeuge können das nicht leisten! Haben Sie an diesem Thema Interesse, so bieten wir dazu ein entsprechendes Training im Bereich Kommunikation an. - Mut zum Dialog:
Es braucht einen echten Austausch aller Argumente und das Aushandeln von guten Lösungen und mancher Kompromisse – auch wenn es schwer fällt. Lernen Sie Ihre Stakeholder gut kennen und bauen Sie vernünftige Beziehungen auf. Das dazu notwendige Arbeitsmaterial erhalten Sie ebenfalls in unserem Kommunikationstraining. - Aktive Einbindung:
SH sollten – so anstrengend und fordernd sie auch sein mögen – an der passenden Stelle im passenden Ausmaß eingebunden werden. Hier sind Entscheidungen zu treffen, die die hier vorgestellten Instrumente ebenfalls nicht leisten können. Hier ist Ihre Führungsfähigkeit gefragt. Auch dazu bieten wir Führungstrainings an.
Es geht also um mehr als nur um technische Machbarkeit und einen organisatorischen Masterplan, wenn Sie erfolgreich sein wollen. Nehmen Sie die Menschen mit, gewähren Sie Unterstützung und sorgen Sie so für breite Akzeptanz.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Schrieben Sie mir. Ich freue mich auf Ihren Beitrag.
Falls Sie zu diesem Thema Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite. Selbstverständlich bietet dieser Artikel nur einen kleinen Ausschnitt aus unserem Beratungs- und Trainingsumfang. Bei uns erhalten Sie Arbeitsinstrumente zum sofortigen Loslegen.
Sven Löbel
+49 7452 8444001