Wertschätzung, Anerkennung, Lob
Alles gar nicht so einfach — Ein Überblick!
Mit diesem Artikel gebe ich Einblick in die Formen der Wertschätzung, die für bessere zwischenmenschliche Beziehungen in Unternehmen hilfreich sind und für bessere Arbeitsbedingungen und gutes Betriebsklima sorgen.
Was man alles falsch machen kann — unglaublich!
Haben Sie schon mal Lob, Anerkennung und Wertschätzung erhalten, die bei Ihnen eher eine fahlen Nachgeschmack hinterließen? Oder haben Sie es schon erlebt, dass die von Ihnen gewährte Anerkennung ein Schuss nach hinten war?
Hier ein paar Beispiele:
- Ich hatte lange und hart an verschiedenen Prozessmanagement-Projekten gearbeitet und war stolz auf meine Leistung. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Nun sehnte ich mich danach, dass dies auch von meinem Vorgesetzten mit einem positiven Kommentar und einem Danke quittiert werden würde. Mehr nicht. Kam aber nicht. Schade. War wohl offenbar alles selbstverständlich.
- Ich hatte ein Lob von jemandem für eine bestimmte Arbeit bekommen. Allerdings war mir diese Person in der Vergangenheit bei vielen Dingen nicht gerade als kompetent aufgefallen, was dazu führte, dass ich durch diese Person erhebliche Mehrarbeit hatte. Das Lob war zwar nett gemeint, aber ich konnte mich nicht so richtig darüber freuen.
- Einer meiner Mitarbeiter im Vertrieb hatte ein Vertriebskonzept schlüssig ausgearbeitet und umfassend dokumentiert. Ich sagte ihm, dass ich das Konzept wirklich gut fände und dass ich eine so sorgfältige Ausarbeitung bisher noch von niemandem so erhalten hätte. Ich war wirklich begeistert. Der Mitarbeiter schaut mich daraufhin von oben nach unten an, mit einem unfassbar missbilligendem und fast schon angewidertem Blick. Offenbar war’s daneben.
- Durch übermäßig viel Arbeit in meiner Zeit als Vertriebsleiter über einen zu langen Zeitraum hinweg, war ich einfach so platt, dass ich Gutes bei anderen gar nicht mehr sehen konnte. Vieles war mir schlicht nicht gut genug. Das führte dazu, dass ich kaum noch positive Worte für andere fand. Schlecht!
Die Ursachen für diese missglückten Wertschätzungen sind vielfältig. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zunächst verschiedene Formen von Wertschätzungen beschreiben und auf die Voraussetzung für wirksame Wertschätzungen eingehen.
Unterscheidung von Wertschätzung, Anerkennung & Lob
Wertschätzung, Anerkennung und Lob sind Zuwendungen. Diese Zuwendung ist im allgemeinen positiv. Die Begriffe werden in der Fachliteratur nicht immer einheitlich definiert.
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Lob
Das Lob ist üblicherweise das positive Herausheben eines guten Arbeitsergebnisses oder einer guten Verhaltensweise. Lob kommt zumeist von jemandem, der für sich in Anspruch nimmt, die Leistung beurteilen zu können. Häufig wird von dieser Instanz ein absoluter Maßstab angesetzt, der aufzeigt, was eine gute oder eine schlechte Leistung ist.
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Anerkennung
Hiermit ist der gezeigte Arbeitseinsatz gemeint, also die Mühe, die mit der Erbringung einer Leistung einher ging. Die Leistungserbringung wird in Zusammenhang mit den Umfeldbedingungen und sozialen Auswirkungen gestellt, z.B.
- wie viele Störungen mussten verkraftet werden?
- wie war die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen?
- welche Herausforderungen waren zu meistern?
- hat der Mitarbeiter in schwierigen Situationen Haltung bewahrt?
- hat die Mitarbeiterin sozial verantwortungsvoll gehandelt?
- kann die Person sozial kompetent agieren?
- usw.
Unabhängig vom Erfolg einer Leistungserbringung, kann Anerkennung gezollt werden, wie eine Person mit einer Situation umgegangen ist. Also auch ein Misserfolg verdient Anerkennung, wenn alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um erfolgreich zu sein.
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Wertschätzung
Wertschätzung bezieht sich auf die Person, so wie sie ist. Diese Art der Wertschätzung ist bedingungslos, weil sie abgekoppelt wird von bisherigen und zukünftigen Resultaten und Leistungserbringungen. Dieser Begriff kann sehr eng mit dem Begriff der Liebe verknüpft sein, die wir einem Menschen entgegenbringen (z.B. wie bei Kindern).
Wertschätzung i.w.S. kann darin liegen, dass man sich auch kritisch mit jemandem auseinandersetzt, weil diese Person es Wert ist. Wertschätzung ist also nicht nur mit positiven Gesprächsinhalten verknüpft, wohl aber mit konstruktiver und wohlwollender Haltung. Positive Wertschätzung ist nicht manipulativ, aber fördernd. Kritische Wertschätzung dagegen nicht immer. Zumindest kann ein kritischer Kommentar als Impuls oder Angebot an den Empfänger verstanden werden, den Impuls für die persönliche Entwicklung selbständig aufzugreifen.
Voraussetzungen für alle Formen von Wertschätzung
Um anderen Menschen gegenüber wertschätzend sein zu können, sollten wir vorher
- uns eine grundsätzlich positive Haltung erarbeitet haben,
- Maßstäbe kennengelernt haben, die uns den Wert einer Sache, einer Person oder eines Verhaltens erkennen lassen (Baustein 1 guter Beziehungsarbeit),
- und uns vor allem selbst reflektiert haben, weil positive Haltung und Maßstäbe sonst oft nicht entstehen können.
Die Selbstreflexion führt zur Erkenntnis eigener Stärken und Schwächen und damit auch zu Nachsicht mit sich selbst bzgl. eigener Unzulänglichkeiten. Aus diesem Prozess heraus entsteht Selbstwert.
Der Selbstwert und die eigene Haltung lassen uns klarer erkennen, was wir an unsern Mitmenschen haben. Unsere Wahrnehmung ist geschärft. Die Urteilskraft verbessert sich im Laufe des Lebens. Es entstehen Respekt und im Rahmen der betrieblichen Zusammenarbeit zunehmend Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Empathie.
Formen der Wertschätzung — Die Fallstricke
Alle Formen der Wertschätzung sind nicht so einfach zu handhaben. Denn es geht oft um eine durchdachte und individuell gestaltete Wertschätzung, wie die folgende Zielscheibe zeigt.
Das sind die Fallstricke:
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Manipulierendes Lob
Dieses absichtsvolle Lob bezweckt eine Verhaltenskonditionierung nach dem Motto „bitte mehr vom bisherigen.“ Mag das in hierarchischen Systemen mit großer Arbeitsteilung und durchdefinierten Arbeitsabläufen noch ausgereicht haben, so ist das spätestens in dynamischen, komplexen, wissens- und service-intensiven Arbeitsbereichen kaum tauglich, weil MitarbeiterInnen ganz situativ individuelle Lösungen erarbeiten müssen.
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Lob von oben herab
Solches Lob wirkt schnell gönnerhaft bzw. herablassend. Es macht Statusunterschiede spürbar und wird vor allem in hierarchischen Systemen praktiziert und teilweise erwartet. Nachteil: Es festigt hierarchische Systeme, obwohl sie mehr und mehr an Bedeutung verlieren.
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Belangloses Lob
„Das haben Sie aber gut gemacht! Weiter so!“ — Nach dem Motto: „Braves Hündchen!“ weiß der Empfänger dieses Lobs gar nicht, was jetzt genau gut war und was das mit ihm/ihr persönlich zu tun hat. Solchermaßen undefiniertes Lob ist auf Dauer sogar kontraproduktiv, weil es zu einer Farce verkommt, die niemand ernst nimmt.
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Lobhudelei
- von unten
Lobhudelei von unten ist als Schleimerei verschrien und wird auch von Führungskräften als unangenehm erlebt. - von oben
Zu viel Lob ist auch nicht gut. Schon gar nicht, wenn selbstverständliche Alltäglich- bzw. Nichtigkeiten gelobt werden. Das Lob führt nicht zu mehr Wertschätzung, sondern verkommt zur Ramschware. Es kann sogar als abwertende Verarsche interpretiert werden.
Ist das Lob jedoch recht gut formuliert, kann es dazu führen, dass Lob abhängig macht. Der/die Gelobte will immer mehr, weil es im externen Lob den weiteren Leistungsanreiz sucht, anstatt diesen in inneren Motiven zu sehen. Auf der anderen Seite ist Sucht der MitarbeiterInnen nach Lob für Führungskräfte nicht nur anstrengend, sondern kaum zu leisten.
- von unten
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Auf den Sockel heben
Lob vor Dritten Personen ist eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite können Resultate und gutes Verhalten vorbildhaft herausgestellt werden. Auf der anderen Seite sieht sich der/die Belobigte je nach anwesendem Personenkreis auf einen Sockel gestellt, von dem andere sie/ihn wieder herunterholen möchten, weil sich Kollegen gleicher Ebene u.U. zurückgesetzt oder nicht beachtet fühlen.
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Augenhöhe misslingt
Anerkennung auf Augenhöhe ist schwer, weil in einem Unternehmen nun einmal Anstellungsverhältnisse existieren, die weisungsbefugte Personen und Weisungsempfänger vertraglich eindeutig benennen.
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Kritische Wertschätzung misslingt
Hier geht es um kritische Rückmeldung bzw. um kritisches Feedback. Hier gibt es eine Vielzahl von Regeln, die man beachten sollte, damit aus dieser Wertschätzung nicht ein Schuss nach hinten wird. Besonders wenn es an Augenhöhe und Respekt fehlt, fließt Rückmeldung meistens nur von oben nach unten in der Hierarchie. Immer wieder erlebe ich, dass eine Geschäftsleitung behauptet, dass man hier im Unternehmen doch alles sagen könne. Das ist meistens ein Irrglaube.
Der Empfänger entscheidet
Letztlich sagt missglücktes Lob — die Empfängerwahrnehmung entscheidet! — viel über den Absender aus. So kann der Absender in den Verdacht kommen,
- bestimmte Personen zu bevorzugen oder zu ignorieren
- seine Macht ausspielen zu wollen
- zu manipulieren
- sich Statusdenke und Standesdünkel hinzugeben
- usw.
Der individuelle Empfänger interpretiert Lob, Anerkennung und Wertschätzung zudem in Abhängigkeit von Situation und organisatorischem Kontext (siehe Artikel „Wandel durch Wertschätzung„)
- Weiß der Sender von Lob und Anerkennung eigentlich, was der Empfänger den ganzen Tag tut und unter welchen Umständen?
- Weiß der Sender überhaupt, was eine bestimmte Leistung bedeutet vor dem Hintergrund der individuellen Persönlichkeit, dem Werdegang und des eigenen Potenzials?
- Werde ich „nur“ mit Worten gelobt, anerkannt und wertgeschätzt oder tut sich endlich auch einmal etwas, um überfällige Vorschläge zur Vereinfachung der Arbeit umzusetzen?
- Wird mein Engagement zwar anerkannt, aber schon auf der nächsten Sitzung wird mein Wortbeitrag wieder einmal abgesägt oder abfällig kommentiert?
- usw.
Der grüne Pfeil (siehe oben) zeigt auf Integration!
Wie in der Abbildung oben zu sehen ist sollten Lob und Anerkennung idealerweise
- individuell passend, konkret, begründet und damit auch bedeutsam sein,
- es sollte den Stil der Leistungserbringung nicht vernachlässigen und
- insbesondere die Umfeldbedingungen der Leistungserbringung beachten.
- Auch Ort, Zeit und Umstände der Wertschätzung sind zu berücksichtigen.
- Anerkennung sollte möglichst nicht manipulativ oder als Farce wirken
- und damit so weit wie möglich auf Augenhöhe erfolgen.
Wenn Sie es schaffen, Anerkennung für die Leistungserbringung unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte auszudrücken, dann wirkt das integrierend, ohne dass Sie sich exponieren. Denn es wird klar, dass genau diese Person vor Ihnen mit genau ihren Eigenheiten es schafft, einen wirkungsvollen Beitrag für Ihren Arbeitsbereich bzw. Ihr Unternehmen zu leisten.
Person, individuelle Art der Leistungserbringung und Arbeitsziele des Bereichs bzw. des Unternehmens befinden sich in einem Schmelzpunkt. Das ist geglückte Integration!
Wenn noch Wertschätzung der Person, der Charaktereigenschaften, ihrer Haltung und Stärken dazu kommen, so ist das selbstverständlich positiv.
Praxistipps für alle Formen der Wertschätzung
- Machen Sie Ihre Mitarbeiter möglichst nicht abhängig von Lob, sondern sorgen Sie dafür, dass MitarbeiterInnen möglichst selbständig und eigenmotiviert handeln.
- Anerkennen Sie die Art und Weise der Leistungserbringung in Bezug zu Situation und Kontext der Organisation. Oder anerkennen Sie Haltung, Mut, Durchhaltevermögen, Verhandlungsgeschick usw.
- Sorgen Sie möglichst für Augenhöhe, indem Sie nicht immer den Chef raushängen lassen.
- Sagen Sie „Das gefällt mir“ anstatt „Das ist gute Arbeit“. So kommen Sie weniger als Entscheidungsinstanz daher, die über Wohl und Wehe entscheidet.
- Fügen Sie eine Begründung hinzu, warum ihnen etwas gefällt, z.B. „Das gefällt mir, weil wir damit Ziel xy ein ganzes Stück näher kommen!“ oder persönlicher „…, weil mir das zeigt, dass ich mich auf Sie verlassen kann“. Das objektiviert Lob und Anerkennung. Der Mitarbeiter sieht seinen Beitrag gewürdigt. Sein Beitrag erhält Bedeutung. Kommen sie darüber auch in den Dialog.
- Sagen Sie, was konkret gut war, damit Lob und Anerkennung nicht einfach oberflächlich und belanglos bleiben, sondern der Mitarbeiter weiß, was er wie genau wieder anwenden kann.
- Begleiten Sie die Persönlichkeitsentwicklung Ihrer Mitarbeiter und machen Sie sich die Unterstützung Ihrer Leute zum Ziel.
- Versuchen Sie Ihre Mitarbeiter bei guten Leistungen zu ertappen und nicht nur bei weniger guten.
- Verteilen Sie Ihre Zuwendung auf die 6 Sprachen der Wertschätzung (Buchempfehlung):
- Lob und Anerkennung
- Sich Zeit nehmen
- Hilfsbereitschaft üben
- Kleine Gesten, Aufmerksamkeiten und Geschenke. Erkundigen Sie sich vorher, was gut ankommt
- Körperliche Nähe und respektvoller (geschäftstauglicher) Körperkontakt
- Vertrauen, Zutrauen, Ermutigung und persönliche Förderung z.B. durch Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen, Fortbildungen oder Übertragung von Verantwortung
- Sagen Sie von Herzen schlicht auch mal „Danke„.
- Machen Sie Wertschätzung bitte nicht zur Firmenpolitik und bitte machen Sie keine Wertschätzungsplanung, sondern bleiben Sie möglichst menschlich, herzlich, nah und spontan.
- Lassen Sie sich nicht nur blicken, wenn es etwas Problematisches zu besprechen gibt.
Du musst selbst die Wertschätzung sein, die du in der Welt sehen willst. Denn wichtig ist nicht, was hinten rauskommt, sondern wer.
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Sven Löbel
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